Sonne satt!

Abenteuergeschichten aus Xi’an

Kommentare 2
Allgemein

Werte Leserschaft, China macht es mir wirklich nicht leicht. In einem Moment könnte ich die Welt umarmen, so schön ist es hier, es gibt atemberaubende Sehenswürdigkeiten und Plätze, unfassbar gutes Essen und freundliche Menschen, die unglaublich wertschätzend und interessiert sind und ich ärgere mich, dass ich „nur“ einen Monat hier verbringen darf – im nächsten Moment ertappe ich mich dabei, nur schwer meine Fassung wahren zu können, weil ich auf Grund von übernervigen, lauten, penetranten Menschen an den Rande des Wahnsinns getrieben werde oder einfach fassungslos zurück bleibe bei so viel Starrsinn, Egoismus und Rücksichtslosigkeit und frage mich, wie ich auf die Idee kommen konnte, einen „ganzen“ Monat hier verbringen zu wollen. Es ist definitiv ganz anders hier als wir es zuhause in Deutschland kennen, dabei aber wirklich schwer zu beschreiben und ich finde auch nach 2 ½ Wochen noch keine Erklärung dafür. Bisher gibt es für mich nur „Fantastisch“ oder „Furchtbar“ und so ganz entziehen kann man sich dem nicht, also laufe ich hier doch ab und zu herum, ohne zu lächeln (hier lächelt schließlich auch sonst keiner), schaue besonders grimmig, wenn mal wieder jemand ungefragt ein Foto von mir macht (das ist wirklich unangenehm! Jeder, der fragt, bekommt auch sein Foto, aber einfach drauf los zu knipsen, egal ob mit Handies oder mit riesigen Spiegelreflexkameras, ist einfach nicht nett), ich mache laute Schlürfgeräusche beim Essen und verunstalte meinen Tisch und ich schreie ebenso laut und vor allem deutlich in meiner eigenen Sprache zurück, wenn mich jemand davon überzeugen möchte, durch Abschneiden meines Laufweges und in chinesischer Sprache vorgetragener, ambitionierter Werbung sein Restaurant zu besuchen oder in seinem Fahrzeug irgendwohin zu fahren. Glücklicherweise ist das die Ausnahme, aber in Touristenstädten aus einem lokalen Bus auszusteigen, kann schon manchmal ziemlich nervig sein, wenn man von lauter unglaublich penetranten Schleppern empfangen wird. Wenn ich aus China ausreise, muss ich erst mal wieder Tischmanieren lernen, aufhören, überall Selfies von mir zu machen und meine Sprachlautstärke um 30 dB nach unten regulieren.

Wenn ich aber in einen Bus oder Zug einsteige oder ein Restaurant besuche, setze ich mein schönstes Lächeln auf und habe meist sofort nette Menschen um mich herum, die mir ein paar Wörter ihrer Sprache beibringen oder sich mit Händen und Füßen mit mir austauschen, mir ihre Handyladekabel leihen und sich über die Süßigkeiten freuen, die ich aus Deutschland mitgebracht habe (Werther’s Original und Haribo Gummibärchen).

Schöne Seiten gibt es hier zuhauf: Xi’an ist eine traumhafte Stadt, und obwohl es zwei Tage in Strömen geregnet hat, habe ich mich bisher noch nirgends so wohl gefühlt wie hier. Mein erstes Highlight ist das muslimische Viertel, in dem es zwar recht touristisch zugeht, aber auch sehr freundlich. Die Menschen wuseln durch die Straßen, die Straßenstände geben sich Mühe, eine Show zu bieten und das Essen auf der Straße und in den kleinen Restaurants in den Seitengassen ist wirklich sehr lecker!

Mein zweites Highlight ist ein Ausflug nach Hua’shan, etwa zwei Busstunden von Xi’an entfernt. Wie aus dem Nichts türmt sich ein über 2000m hohes Gebirge auf, welches atemberaubende Ausblicke und schweißtreibende Wanderwege (-treppen) bereithält. Man muss sich von der Vorstellung verabschieden, dass man für sich wandert und ab und zu mal jemanden trifft. In China steht man für das Wandern teilweise an, weil an einem Pfad des Weges gerade Stau ist oder mal wieder eine Selfie-Foto-Session stattfindet. Das Gebirge wird auch „Yellow Mountain“ genannt, und gelb sehen die mit Wald bewachsenen Steilfelsen auch aus. Steilfelsen ist das richtige Wort – es ist unglaublich steil und ganz schön anstrengend, nach oben zu kommen. Direkt in den Felsen wurden tausende Treppenstufen gefräst, mal wieder ein Symbol für die unglaubliche Arbeitskraft, die China bereitstellen kann. Völliger Wahnsinn, ich stelle mir gerade vor, wie man in den Alpen wandert und ein ganzes Gebirge besteht nicht aus Wanderwegen, sondern ausschließlich aus Treppen! So ist das wohl überall in China, in Emeishan gibt’s auch nur Treppen. Ich machte mich mit Charlotte und Mike aus meinem Hostel auf den Weg. Leider hat unser Bus nicht 2, sondern eher 3 ½ Stunden benötigt und es war schlussendlich 13 Uhr, bis wir nach einer weiteren Bus- und einer beeindruckenden Gondelfahrt (mit einer österreichischen Gondel) am North Peak ankamen, um unsere Tour zu starten. Diese führte uns auf einer mehr als beeindruckenden Route am West Peak vorbei bis nach oben zum South Peak, wo der Plank Walk auf uns wartete. Kurz haben wir überlegt, ob wir einfach eines der gefake’ten Bilder machen sollten, die dort für 20 Yuan in einer Greenbox angeboten wurden. Schlussendlich reihten wir uns aber doch in die Schlange für den von vielen als gefährlichsten Weg der Welt bezeichneten Pfad ein. Für 30 Yuan (4,20 €) erhielt man zumindest eine rudimentäre Sicherheitsausrüstung, eine Sicherheitseinweisung gab es nicht, und so mussten wir mit gesundem Menschenverstand vorgehen, als wir unser Equipment in Gebrauch nahmen. Gefährlich ist nicht nur der Weg selbst, sondern auch die Massen an Touristen, die sich auf ihm befinden. In superengen Felswänden muss man sich erstmal vorbei an 30 anderen Plankengängern schleusen, was an sich schon ein Teil des Abenteuers ist. Unten angekommen tut sich ein Holzweg auf, der an der steil abfallenden Felswand in den Stein gehauen wurde. An ihm hangelt man sich etwa 40 Meter entlang – ebenfalls wieder vorbei an entgegenkommenden Abenteurern, um die man dann herum klettern muss. Wie weit es da runter geht, kann man gar nicht begreifen und den Wind und die Kälte spürt man auf Grund des Adrenalins kaum. Ich hatte Bilder und Videos von diesem Plank Walk gesehen und mir war sofort klar, dass ich hier hin wollte – tatsächlich dann auf dem Holz zu stehen und den Abgrund hinunter zu schauen sowie den unglaublich tollen Ausblick vor sich zu haben, ist in Bildern und Videos nicht einzufangen. Es war wirklich eine einmalige Erfahrung, die ich jedem empfehlen würde! Charlotte & Mike waren gute Begleiter und wir hatten einen sehr sportlichen und wunderbaren Tag, den wir mit einem lokalen Abendessen in einem kleinen Straßenrestaurant zu Ende haben gehen lassen. Ich empfehle euch, einmal nach „Huashan“ und „Plank Walk“ zu googeln.

Mein drittes Highlight war eine „Local Experience“. Nach einigen Ortswechseln musste ich mir selbst eingestehen, dass ich mit meiner Rucksackwahl doch nicht so recht zufrieden bin. Gerade bei längeren Strecken wird dieser doch recht schwer und ich entschied mich, einmal in einem lokalen Shoppingcenter nach einem günstigen Rollkoffer zu suchen. Nach einer Internetrecherche stieß ich auf einen Ort außerhalb der Stadtmauern, wo man günstig Taschen schießen konnte – und das konnte man auch! Wer das MBK Shoppingcenter in Bangkok kennt, hat eine ungefähre Vorstellung davon, wie das Ganze aufgebaut ist. Jeder Shop hat eine Grundfläche von ca. 30 m² und ist befüllt mit Taschen oder Koffern oder T-Shirts oder Jeanshosen oder Hemden oder Kleidern oder Krimskrams oder Portemonnaies oder einer Mischung aus allem. Ein Shop reiht sich also an den nächsten und ich bin recht überzeugt davon, dass die meisten das gleiche anbieten. In den engen Gängen steht überall plastikfolienverpackte Neuware, die eifrig entpackt und eingeräumt wird. Für mich sieht ein Shop wie der nächste aus und ich frage mich, wie dieses Konzept funktioniert. Nach intensivem Herumschauen in drei dort ansässigen Shoppingcentern habe ich mich schließlich für einen der 300 Shops entschieden und ein Beratungsgespräch begonnen. Das ging ungefähr so, wobei ich keine Gewährleistung dafür übernehme, dass ich den sprachlichen Part der Verkäuferin zu 100% richtig verstanden habe:

Ena: Ni-Hao. I would like to buy one of these cases.
Verkäuferin: Ni-Hao, welcom! Chan du la dau da tze le kha zhu?
Ena: (deutet auf einen Koffer) Like this, but a bit smaller in size?
Verkäuferin: Ha tam che tchiu la fan renman tan!
Ena: (deutet auf einen anderen Koffer) Ehm, do you have this one in a different color?
Verkäuferin: Chan cheng tshu tan lan tao tam tchai fen kan!
Ena: Nee, gibt’s den in einer anderen Farbe? Like this?
Verkäuferin: Aaaaaahh, tshan diu ma lao than cham chent tsiu qan wei ma tan shi! (bringt einen größeren Koffer.)
Ena: Seufz. Can I have a look around?
Verkäuferin: (öffnet den Koffer und will mir diesen zeigen) Weiwei jao ma tze shen taitin shin zheng?
Ena: What about this one? Wie groß ist der? What is the size? (versucht, mit ihren Händen die verschiedenen Größen der Koffer zu beschreiben)
Verkäuferin: Aaaaahh! (bringt drei Koffer in verschiedenen… Farben!) Tam tschin zhiu tong sha nichi quan dschinfeng lu man la fen!?
Ena: Mmmmmhh, no, wie viele Liter? How big?
Verkäuferin: Ahaha, teng thao zheng shiba zhe zhenshen shou ma qua dong doo ta zhiu zhema! (Öffnet den Koffer und packt meinen mitgebrachten, bisherigen Rucksack rein. Ich bin glücklich!)
Ena: Aaaaahh, yes, xiexie, danke! Gibt es einen Zettel zu diesem Koffer? (versucht, pantomimisch einen Zettel darzustellen)
Verkäuferin: No no ma la sö dö lao ma zhan.
Ena: (überlegt)
Verkäuferin: Zhing zhonshenlin sheng hai ha enjinli tunzhön shan kam kaosalishamatai!!
Ena: (überlegt und versucht, sich die Größe ihres Gepäckes vorzustellen)
Verkäuferin: Lao kankan janschö simathan wen a si lumam zhin ta!
Ena: (schaut sich einen anderen Koffer an und vergleicht) Kann ich diesen hier mal aufmachen?
Verkäuferin: shi shi shi shi (ein weiterer Mitarbeiter eilt herbei und hilft)
Mitarbeiter: Lan zhe schö shen zhan kha fan ka wei?
Verkäuferin: Shi cheng tshu tan lin shen san tao tam tchai fen kan!!
Ena: (überlegt)
Mitarbeiter: Renmin thao zheng yang rou shiba zhe zhenshen shao shou ma qua dong doo ta zhiu.
Ena: Is there a „Zettel“, like this? (Zeigt auf einen anderen Zettel, versucht, zwischen den chinesischen Zeichen eine Zahl zu finden, die vielleicht die Literanzahl preisgibt)
Mitarbeiter: Fu-ru xiang pa bai pa kao (rennt los und bringt einen Katalog, der zu meinem Koffer die Zahl 24 zeigt.)
Verkäuferin: Shin zen fan ka wen ban!
Ena: Oh, great, aber wie viele Liter passen hier rein? (Sucht in ihrer Übersetzungs-App nach „Liter“ und zeigt es der Verkäuferin)
Verkäuferin: (Schweigt sprachlos.)
Ena: Hmmmm, ich muss mal überlegen. (Geht im Kopf alle ihre Sachen durch und packt diese imaginär unter weiteren Verkaufsschwüren der Anwesenden in den Koffer. Könnte passen…) Wie viel kostet der? How much is this?
Verkäuferin: Beschreibt eine 500. (Auf dem Zettel steht 1288 Yuan, da muss noch was gehen!)
Ena: Ooooohh, so teuer? (hält sich den vor Erstaunen offenen Mund zu)
Verkäuferin: (überlegt und tippt eine 450 in den Taschenrechner.)
Ena: Puh… (deutet auf einen billiger aussehenden Koffer) Und dieser hier?
Verkäuferin: 280
Ena: Aaaaahh… Kann ich diesen (ersten) Koffer für 280 haben?
Verkäuferin: (lacht) nooo nooo… (überlegt und tippt eine 420 in den Rechner)
Ena: (überlegt, geht noch einmal herum und schaut sich andere Koffer an. Geht dann zurück zum ausgewählten Koffer und holt ihr Handy raus, um durchzurechnen, wie viel 420 Yuan sind.)
Verkäuferin: (schaut mich groß an)
Ena: (nimmt den Koffer nochmal genau unter die Lupe)
Verkäuferin: (verliert sich in Verkaufsschwüren für die Vorteile des Koffers, zeigt auf die Werbung für die 20 Jahre Garantie und die gute Verarbeitung, erläutert mir detailliert die Funktion der Doppelrollen und die tollen Reißverschlüsse)
Ena: (kramt in ihrer Tasche und hält der Verkäuferin mit einem flehenden Lächeln 400 Yuan hin) Mehr habe ich leider nicht?
Verkäuferin: (strahlt, strahlt den Mitarbeiter an, nimmt meine Hand und beschließt den Deal) Shi, shi, shi! :-)
Ena: (denkt sich, dass sie vielleicht doch zu viel bezahlt hat bei dem schnellen Handschlag der Verkäuferin? Egal, 1000 war meine eigentliche Grenze. ;-))

Hab dann noch einmal alle Funktionen des Schlosses erklärt bekommen und sogar eine Schutzhülle erhalten, die das gute Stück ein wenig erhalten soll. Ein schöner Nachmittag – für mich, mein interkulturelles Verständnis und meinen gepäck-geplagten Rücken! Und ja, es ist möglich, ein Verkaufsgespräch zu führen, ohne auch nur ein Wort der Sprache des jeweils anderen zu sprechen!
Eine Internetrecherche hat übrigens ergeben, dass der Koffer für mehr als 100$ im Internet zu kaufen ist, jedoch nur in China und Südkorea. Und das erste Mal Packen hat gezeigt, dass ich mich genau für die richtige Größe entschieden habe! Wie krieg ich jetzt nur meine andere Tasche nach Hause? :-/

Ein weiteres Highlight für viele, wenn auch nicht für mich, ist die Terrakotta-Armee in Xi’an, und auch wenn ich die Geschichte dahinter sehr spannend finde, war der Ausflug dorthin eher mittelmäßig. Ich hatte eine Tour über mein Hostel gebucht und war zwar mit einer netten Gruppe unterwegs, allerdings regnete es in einer Tour und man ist doch recht viel draußen unterwegs. Chucks waren nicht die beste Schuhwahl, aber ich war nicht allein mit meinen nassen Füßen. Eine Station unserer Tour war eine Besichtigung einer „Warrior Factory“, worunter wir uns eigentlich versprochen hatten, zu erleben, wie die Tonkrieger damals gebaut wurden. Falsch gedacht, es handelte sich um nichts anderes als einen Shop für kleine Terrakottafiguren, durch den wir eine Stunde geführt wurden, um dann kollektiv doch nichts zu kaufen. (Unser Guide hätte 10% Umsatzbeteiligung erhalten und war darüber nicht sehr begeistert.) Durch das schlechte Wetter dachten sich wohl so ziemlich alle Xi’an-Touristen, dass es ein guter Tag für einen Besuch der Tonköpfe sei, und so war es nicht nur regnerisch, kalt und nass, sondern auch noch übervoll. Zu guter letzt war unser Guide leider mäßig gut vorbereitet und hat den Tag gefüllt, indem sie uns jeweils vor Betreten der Bereiche Bilder in einem Buch gezeigt hat von den Dingen, die wir gleich sehen werden, statt uns anschaulich direkt am terrakotta’nen Objekt an ihrem Wissen teilhaben zu lassen. Die abenteuerliche Fahrt, die wir mit durchnässten Schuhen antreten mussten, ging zurück über Wege, die im Navi garnicht zu finden waren und die mit Schlaglöchern von der Größe eines Gartenteiches aufwarten konnten. Nicht der beste Ausflug, doch das trübt mein positives Verständnis für Xi’an nicht! Der Ausflug auf die Stadtmauer am Morgen vor meiner Abreise bei schönstem Sonnenschein und früh genug, dass die Touristen noch nicht die ganze Mauer in Beschlag genommen hatten, war allein schon die Reise wert!

Jetzt warten fünf Tage Peking auf mich, auf die ich mich sehr freue! Habt eine tolle Restwoche, ihr Lieben!

Eure Ena!

P.S.: Internet in Peking? Geht garnicht… Bilder folgen :-) Schaut doch immer mal auf Instagram vorbei… Nutzername: woistena

2 Kommentare

  1. Spannend! Und zum Luft anhalten vor Sorge noch nachträglich! Und zum Schmunzeln! Bin schon jetzt gespannt auf die Fortsetzung!
    Wieso gibt es in Peking keine vernünftige Internetverbindung?

Schreibe einen Kommentar